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The Killing of a Sacred Deer - Parasitäres Unheil

Am Anfang sehen wir das unheilvoll pulsierende Herz eines auf dem OP-Tisch liegenden aufgeschnittenen Mannes. Das Bild liefert ein Vorgefühl dessen, was noch kommen soll. Die sonst starr errichtete Mauer der Abschottung eines idyllischen Familienlebens wird durchdrungen und beginnt zu bröckeln. Der Eindringling ist ein psychopathischer 16-Jähriger. Der Topos des Eindringlings ist altbekannt, ja mittelalterlich. Die Musik klassisch. Der Titel eine Referenz zum Mythos der Iphigenie. Aber die Stärke des Films liegt nicht auf der Ebene der Handlung, oder auf der der Musik, oder der Bilder, sondern in deren innovativen wie eigentümlichen Zusammenspiel.

Die Dialoge sind abgehakt, grotesk und kommen bisweilen surreal daher. In ihnen liegt eine absurde unnahbare Komik, die sich, wie es scheint, nicht entscheiden will zwischen schwarzhumoriger Satire und lethargischem Ernst. Die Kamera wirkt wie ein Stalker oder vielmehr selbst wie der Eindringling, den Raum mit ihren Blicken durchbohrend, nachdenklich und selbstvergessen in oder neben das Geschehen zoomend. Der Film zwingt zur Einkehr. Die Musik vermittelt eine beängstigende geradezu kosmisch beklemmende Atmosphäre drohenden Übels. Die Musik weitet den Raum. Auch die weitwinkligen Bilder lassen das Geschehen befremdlich wirken. Der Zoom wirkt dann wie ein endloser Annäherungsversuch und verstärkt nur das Gefühl des geweiteten Raums, der Kälte, der Einsamkeit. Und trotzdem wird die Distanz, die Kühle, die vom wortkargen Protagonist, den sterilen Bildern, der hellen Architektur, dem Weitwinkel erzeugt wird, nach und nach aufgehoben: aufgrund der inneren unerklärbaren mythisch anmutenden Ereignisse.

Auf der einen Seite sind die unnahbaren Handelnden, deren psychologisches Profil zunächst verschleiert bleibt, und der distanziert gefilmte Raum. Auf der anderen Seite die sich jeder Erklärung entziehenden Ereignisse, die sich wie eine unsichtbare parasitäre Lebensform klanglos in die unterkühlte Welt eingenistet haben. Dieses unheimliche Spiel von innen und außen, in dem immer noch der Hauch einer bizarren Komödiantik erhalten bleibt, machen „The Killing of a Sacred Deer“ zu einem psychologisch wirkstarken Film, der nicht nur nach innen, in sich selbst, sondern auch nach außen in die Köpfe der Zuschauer eindringt.

Das bis zur letzten Konsequenz unausweichlich drohende Übel, das in der Entstellung und dem letztlichen Absterben der Kinderkörper seinen Vorboten hat, ist in solcher Eindringlichkeit gefilmt, dass es als Notwendigkeit, quasi als göttliche Fügung sich in die Logik des Films einschreibt. Problem dabei ist nur, dass der Film, obwohl er sich allegorisch gibt, zu wenige Anhaltspunkte für eine identifizierbare Aussage bereitstellt. So hält man an manchen wenigen Punkten des Films inne und fragt sich: warum? Emotional aufwühlend, psychologisch wirksam, aber auf rationaler Ebene leider nicht sehr fruchtbar oder zu verschlüsselt.

Anzumerken ist noch, dass die schauspielerische Leistung im Ganzen besticht, aber im Besonderen bei Nicole Kidman beinahe erschreckende Züge annimmt: Jeder Blick ist voller bodenloser Intensität.