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Fish Tank - Leidende und hoffende Herzensöffnungen

Andrea Arnolds zweiter Film in Spielfilmlänge „Fish Tank“ ist kein klassisches Sozialdrama, bei dem der Blick auf diverse Gewaltspiralen der „unteren Klasse“ gelenkt wird, sondern ein einfühlsames Begleiten seiner Protagonistin, deren Inneres Rhythmen und Gefühle beherbergt, die in sich schon jedes Klassendenken ins Wanken bringen.

Die exzentrische Teenagerin Mia steht im Vordergrund. Nur nebenbei werden ihre Probleme mit der Schule und ihrer ehemaligen Freundin angedeutet. Und auch sonst treten die Sozialprobleme aufgrund des geringen ökonomischen Kapitals ihrer Familie nur hintergründig auf. Sie werden ganz natürlich eingestreut, aber nicht theatralisiert. Der Fokus liegt auf Mias Innenwelt. Ihre Träume, ihr Begehren und ihr Leiden sind das, was die Essenz des Filmes ausmachen. Und diese entstehen nicht, wie man es erwarten würde, in Reibung zu den harten Umständen, in denen sie aufwächst, sondern durch die fast rohe, auf ihren Kern hin abgeschälte Emotionalität und Expressivität einer strebenden Teenagerin.

Das macht Fish Tank vielmehr zu einem Coming-of-Age Film, statt zu einem Sozialdrama. Die größten Momente der Traurigkeit, der Freude oder der Wut beruhen auf existenziellen Erfahrungen, deren Sujet zwar der soziale Brennpunkt ist, welcher aber nicht notwendig für die Message des Films steht. Das Waten durchs Wasser, die emotionale Verbundenheit mit einem leidenden Pferd, das sonnendurchstrahlte Gefühl verliebter Berührung, die Kränkung desillusionierender Realitätserfahrungen oder das Sich-verlieren im Rhythmus der Musik. Das alles sind grundständige Erfahrungen, die durch keine Form von Kapital beeinflusst sind.

Natürlich heizt der Film diese kollektiven Erlebnisse durch einen naturalisierenden Blick auf eine „bodenständiger“ lebende Familie auf und setzt sie gegen Ende in einen Kontrast zur Mittelschicht im Einfamilienhaus. Letzteres übernimmt dann die Rolle des Scheinhaften und Heuchlerischen, was in der Figur Connor seine Personifikation findet. Auch Mias Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg wird erst durch die Übergabe der Kamera durch Connor möglich. Diese Hoffnung entpuppt sich jedoch genauso als Schein, wie es die Hoffnung der jugendlichen Liebe tut. Und Mias Rache besteht aus Urin und dem wogenden Wasser des Meeres. Dabei verliert sich der Film aber nie in einer verklärenden romantisierenden Sichtweise einer vermeintlich ursprünglicheren expressiveren Art zu leben, der sogenannten „Unterschicht“, sondern führt die Handlungen immer auf seine rebellische Protagonistin zurück, deren Träume ungehört und ungesehenen von einer ernüchternden Realität zerschlagen werden.

So lebt der Film von seinen Schauspielern, deren karge Expression nur in feinen Zügen erahnen lässt, was dahintersteckt. Die Kamera weiß dann einfühlsam und unaufdringlich Stück für Stück freizulegen. So wie die Kamera, ist auch der Schnitt nie überschwänglich, nie betont artifiziell. Fish Tanks Bilder sind aber auch keine dem Realismus treu ergebenden Zeugnisse, sondern dem gefühlsgeladenen Leben entspringende leidende und hoffende Herzensöffnungen, die immer wieder durch das, was die raue Realität unterdrückt und unmöglich macht, verschlossen werden. Das gleiche ist auch Mia für den Film.