CounterCulture
Menü

Die Weibchen - Achterbahnfahrt (der Geschlechter)

Noch 5 Jahre vor Erscheinen Laura Mulveys vielzitiertem Aufsatz „Visuelle Lust und narratives Kino“ sinniert Die Weibchen auf filmtechnischer Ebene über den Blick des Kinozuschauers und dekonstruiert die voyeuristische Distanz der männlichen Blickökonomie. Die Kamera wird zum ebenbürtigen Akteur neben den Charakteren. Sie kreist um und schleicht durch die Szenerie, stellt sich zwischen die interagierenden Menschen, lenkt den Blick des Zuschauers auf unverhohlene Weise. In jedem Moment ist es nicht bloß das Bild, das dargeboten wird, sondern die konkrete Art und Weise, wie erst die Darstellung zum Bild wird, rückt in den Fokus. Das mag zum einen der oberflächlichen psychedelischen Effekthascherei geschuldet sein, bringt aber zum anderen eine unvermeidliche Reflektion der Form mit sich. Das Urteil über den Blick der Kamera wird damit nämlich auch zum Urteil über die eigene, wenn auch gelenkte, Blickrichtung des Kinogängers. Immer wieder schauen die Schauspielerinnen an der Kamera vorbei, als würden sie die Subjekte dahinter fokussieren: meist verurteilend oder nachdenklich.

Die 24-jährige Eve steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch und begibt sich in eine Kur. Hier befinden sich hauptsächlich Frauen, die die übrigen Männer sexuell benutzen und danach umbringen (eine Gottesanbeterin dient hierzu bildlich als Metapher). Eine Ärztin stellt Eve die Frage, wie oft sie Sex habe. Worauf sie zurückhaltend und ausweichend reagiert. Die Ärztin daraufhin sinngemäß: „Warum so verhalten? Ich könnte sie ebenso fragen, wie oft sie ins Kino gehen?“ Eve antwortet unbedenklich mit einem naiven Lächeln auf den Lippen: „Einmal in der Woche“. Anstatt jedoch diesen hochinteressanten Faden weiter aufzugreifen, der auch in der Kameraarbeit anscheint, inwiefern Macht und Herrschaft durch Sexualisierung einen legitimen Einzug in das Normverständnis der Gesellschaft erhält, verliert sich der Film in einer anarchisch anmutenden Achterbahnfahrt von destruktiven Machtumkehrungen und clownesken Herrschaftsverneinungen. Zirkusartige Musik und kreischendes Lachen ohne Ende; die gesamte Atmosphäre torpediert nicht nur die männliche Vorherrschaft, sondern zugleich auch das eigene revolutionäre Potenzial. Alles verliert sich in einem unfruchtbaren Kreiselzustand des Nihilismus.

Die Weibchen ist eine Fantasie des Absurden. Und als solche verliert sich der Film in seiner Frage nach der Herrschaft und Macht zwischen den Geschlechtern, ohne dafür eine adäquate Antwort oder Gegenidee zu liefern. Die größte Stärke ist dabei wohl die Provokation eines unangenehmen Gefühls allseitiger anarchistischer Entmachtung. Frau sein oder Mann sein fühlt sich nach dem Schauen des Films unangebracht, geradezu anrüchig an. Die Schwäche dabei ist jedoch zugleich das eigentlich konstruktivlose Gewand der (überhaupt schwer auszuformulierenden) Gesellschaftskritik des Films. Somit wirkt er wie eine heillose Überbordung sexualpolitischer Themen der 70er, dem jeder nachdenkliche Filter fehlt. Ein an den Genderproblemen wahnsinnig gewordener Film. Aber vielleicht steckt hierin der Aufruf zu einer neuen und gerechten, dann überschaubaren Ordnung. Nicht revolutionär, aber entzündlich.