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Lady Bird - Achselzucken

Es ist schwierig etwas über einen Film zu sagen, der im Voraus derart gelobt wurde. Der so spielerisch und albern, aber auch erwachsen ist. So charmant und zugleich so unverhohlen. Es ist auch schwierig den Film von seiner Autorin zu entkoppeln, deren Medienpräsenz als Schauspielerin schon ein Bild ihrer Person und ihrer Arbeit liefert, bevor ihr Film „Lady Bird“ überhaupt gestartet ist. Zudem wird immer wieder auf die Parallelen zwischen der Figur Lady Bird (Saoirse Ronan) und der realen Greta Gerwig verwiesen, die ja auch beide Anfang der 2000er in Sacramento aufgewachsen seien. So kippt die neutrale Werkbewertung schnell und wird zum Personenkult, der in Indie-Kreisen um Greta Gerwig spätestens seit Noah Baumbachs „Frances Ha“ etabliert sein dürfte.

Allerdings gibt es auch interessante Verbindungen zwischen ihrer schauspielerischen und filmischen Arbeit. So scheint Gerwig mit ihrem Körper und ihrer Mimik eine Art unbeholfenen schulterzuckenden Stil gefunden oder angenommen zu haben, der sich auch auf ihre Regiearbeit übertragen lässt. Gegen diese gezielt ungelenke freche Inszenierung lassen sich kaum böse Worte finden. Zumal diese durchdacht, aber nicht unangenehm gewollt daherkommt. Die Bilder haben Charakter. Sie leben förmlich, gerade aufgrund ihres nicht in die Perfektion getriebenen Arrangements. Deshalb tut es dem Film gut, nicht zu viel von der ungemein intelligenten Musik Jon Brions eingesetzt zu haben. Mal hier und mal da kleine, aber aussagekräftige Melodien, die nie ausschweifen. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Nie pathetisch, emotional übersteigert, aber auch nie gefühlskalt.

Als Coming-Of-Age Komödie ist „Lady Bird“ gespickt mit ersten Malen und mit großen Erwartungen und einem noch halb kindlichen Auge, das einer großen Welt entgegenblickt, die es entdecken will. Als Vogel will die Protagonistin, die eigentlich mit dem Namen Christine getauft wurde, ferne Welten entdecken und als eine Lady sieht sie sich reif und vornehm im traumhaften (hier blauen) Märchenschloss. Alle dieses ersten Male werden jedoch entzaubert und reihen sich ein in die absurde Welt der Wiederholung („Ist doch egal, dass dein erstes Mal unspektakulär war. Du wirst noch jede Menge unspektakulären Sex in deinem Leben haben“). Das gehört wohl zum Erwachsenwerden dazu: der Verlust der Ehrfurcht oder das Verlernen des Staunens. Aber in Lady Bird ist das keine einfache Geschichte um das Lernen gesellschaftlicher Werte, oder das gegenteilige Hochhalten rebellischer Jugendlichkeit, sondern es hat philosophisches Programm. Wie auch Noah Baumbachs Filme reiht sich Gerwigs Werk in die Ära der Woody Allen-Filme ein, die dem Existenzialismus verschrieben sind.

Wie Albert Camus Bezugnahme auf den „Mythos des Sisyphos“, in dem Sisyphos auf ewig verdammt ist eine riesen Steinkugel immer wieder von neuem einen Berg hochzurollen, lässt auch Gerwig das Absurde des Daseins in „Lady Bird“ durch die Bilder sprechen. Alles das Gesehene kennt man doch irgendwie schon? Alle diese Elemente jugendlichen Reifens sind doch nichts Neues im Film? – Aber genau das versuchen die Bilder auch nicht zu sein. Sie sind ganz bewusst eine absurde Wiederholung des Immergleichen, ein besonnenes Achselzucken vor dem stets sich selbst sinnentleerendem Dasein. So wird vor allem am Ende der Glaube an Gott und die Kirche als Sinnbild von Heimat noch einmal der existenzialistischen Perspektive untergeordnet. Der Glaube als wesenshafte Entscheidung, wie auch das Annehmen des von den Eltern gegebenen Namens eine Entscheidung ist. Für Lady Bird spricht nichts dagegen an Gott zu glauben, Gott anzunehmen, wo man doch ebenso leichtfertig und unhinterfragt seinen Namen annimmt. Und zuletzt nennt sich Lady Bird „Christine“, was so viel heißt wie „Ich bin ein Christ, ich gehöre zu Gott“. Greta Gerwigs Spielfilmdebüt ist nicht nur ein Bekenntnis an den Existenzialismus, sondern ein ebenso konservatives Werk der Reife, das die rebellische Selbstbenennung der Dinge hinter sich gelassen hat und Herkunft, Heimat und die elterliche Ordnung preist. Undenkbar wäre eine solch konformistische Message noch in der deutschen Nachkriegsgeneration gewesen. Umso gespannter darf man auf die Rezeption des Films in Deutschland sein. Ist die revoltierende Ära der 70er nun endgültig vorbei, die Zeit der trotzigen einsamen Wölfe, die sich keinen Regeln beugen wollen?

„Lady Bird“ ist ein imponierend stilsicherer Film, der auf jeder Ebene genau weiß, was er will und gleichzeitig dazu imstande ist, eben das, wie das einfachste der Welt aussehen zu lassen. Aber das achselzuckende Annehmen der mütterlichen Ordnung als Vollendung der Reifwerdung zu erzählen, löst mitunter Unbehagen aus, wie auch das existenzialistische Entromantisieren jeglicher Ereignisse.